Je höher der Posten, desto mehr Schauspiel
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03. März 2012
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04. März 2012
Wie bekommt man ihrer Erfahrung nach die besten Antworten?
Mit Hilfe eines strukturierten Interviews. Auf keinen Fall darf man sich treiben lassen und sich an dem entlang hangeln, was der Bewerber erzählt. Dann kriege ich wahrscheinlich nicht die Informationen, die ich brauche. Die meisten Bewerber haben den Hang, lange zu sprechen. Da muss ich dann unterbrechen und nachfragen, sonst ufert es aus. Wichtig ist meiner Erfahrung nach ein Set von Schlüsselfragen, die ich allen Kandidaten stelle, damit ich nachher gut vergleichen kann.
Sie bohren also richtig nach?
Auf jeden Fall. Wenn jemand sagt, er habe immer sehr eng mit seinen Mitarbeitern zusammengearbeitet, was ihn zu einer starken Führungskraft macht, dann muss ich diese Aussage überprüfen. Die Details und Hinweise bekomme ich aber nur raus, wenn ich entsprechend nachbohre.
Was würden sie diese „starke Führungskraft" noch fragen?
Ich würde nach Beispielen hören wollen, wann die Führungskraft zuletzt in einer schwierigen Situation gewesen ist, in der es vielleicht mal nicht ratsam war, die Mitarbeiter sofort einzubinden. Wie wurde diese Situation kommuniziert? Wie haben die Mitarbeiter auf die Geheimhaltung reagiert? Aus jeder Antwort kann sich eine neue Frage ergeben, bis sich ein Gesamtbild herauskristallisiert.
Haben Sie auf diese Weise viele Bewerber enttarnt?
Je höher sie in der Hierarchie kommen, desto größer wird die schauspielerische Fähigkeit ihres Gegenübers. Die normalen Mitarbeiter waren weitaus weniger in der Lage sich zu verstellen als Führungskräfte aus dem gehobenen Management. Es gab aber nur selten den Fälle, in denen man jemanden konkret „überführte". Häufiger war es so, dass die Einzelaussagen kein stimmiges Gesamtbild ergaben.
Ist die berühmte Chemie zwischen den Akteuren also gar nicht wichtig?
Doch, zu einem gewissen Grad schon. Ich habe einmal in meinem Leben jemanden eingestellt, obwohl ich von Anfang an wusste, dass die Chemie nicht stimmte. Das habe ich dann bitter bereut, weil wir nicht das Mindestmaß an gegenseitigem Mögen füreinander aufgebracht haben. Das hat dazu geführt, dass wir uns nach einiger Zeit getrennt haben.
Das Gespräch führte Sven Astheimer.