Sexy sells

Human Resources Manager, Februar / März 2012

Der Beratungsmarkt für Human Resources wächst und wird deshalb für immer mehr Consulting-Firmen interessant. Doch auf dem Markt zu bestehen, ist gar nicht so leicht. Denn die Kunden sind professioneller und somit anspruchsvoller geworden.

Karl-Heinz Stroh, Ulrich Jordan, Rudolf Kast – in 2011 haben sich auffällig viele bekannte Personalchefs selbstständig gemacht. Sie arbeiten nun als Berater im Bereich Human Resources. Nicht selten sind es Männer in den 50ern, die raus wollen aus der Maschinerie, um selbstbestimmter zu arbeiten. Den lang gehegten Traum endlich in die Tat umsetzen – manchmal braucht es für diesen Schritt aber einen Stoß. In solchen Fällen finden Unternehmensleitung und Personalchef nicht mehr zusammen. Der HRlergeht „im gegenseitigen Einvernehmen“, wie es oft so schön heißt. Auch Ulrich Jordan ging im „gegenseitigen Einvernehmen“. Er war viele Jahre Personalvorstand der Targobank und hat sich im Juni vergangenen Jahres selbstständig gemacht. Er bietet jetzt Expertise zu den Themen Executive Coaching, Führungskräfteentwicklung, Management Assessments sowie HR-Strategieentwicklung und -umsetzung an. Dieser Schritt sei schon lange ein Wunsch von ihm gewesen, sagt der 57-Jährige heute.

So ist es auch bei Rudolf Kast, der 15 Jahre Personalchef bei der Sick AG war und im Januar 2011 die Personalmanufaktur gründete, um mittelständische Unternehmen im Personalmanagement zu beraten. „Ich hatte die Idee schon lange im Kopf“, erzählt er. Der 58-jährige Kast gehört sicherlich zu den profiliertesten Köpfen im HR-Bereich und sein Portfolio – von der Strategieberatung bis zur Ausarbeitung – ist für einen Alleinunterhalter ungewöhnlich breit. Damit konkurriert er zum Teil auch mit den großen Beratungsunternehmen. Doch Sorgen macht ihm das nicht. Denn bei dem Beratungsansatz der Großen fehle häufig die praktische Erfahrung, sagt Rudolf Kast. „Ich hatte das große Glück bei Sick alles ausprobieren zu dürfen.“
Kast und Jordan haben keinen schlechten Zeitpunkt gewählt, sich selbstständig zu machen. Auch wenn der HR-Beratungsmarkt durchaus hart umkämpft ist, so gilt er doch als Wachstumsmarkt – und klein ist er auch nicht gerade. 2010 betrug der Anteil des HR-Consulting am Gesamtmarkt der Beratungsbranche nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) 10,6 Prozent und hatte damit ein Umsatzvolumen von knapp zwei Milliarden Euro. Nicht eingerechnet ist dabei die Personalsuche.
Gerade im HR-Bereich ist es natürlich schwierig solche Daten zu erheben. Es handelt sich um Befragungen und was alles zum Beratungsfeld Human Resources gehört, ist auch nicht ganz klar. Die Experten sind sich dennoch einig: Der Anteil am gesamten Beratungsmarkt ist größer geworden. Und die Tendenz zeigt nach oben, der größer werdenden Bedeutung von HR-Themen sei dank. „Der Markt wächst immer noch und er ist noch nicht ausgereift“, sagt auch Kienbaum-Geschäftsführer Walter Jochmann, „zum Beispiel kommt jetzt erst so langsam das Change-Geschäft im HR-Bereich an.“

Wettbewerbsfaktor

Der Beratungsmarkt für Human Resources gilt als sehr heterogen. Da sind zum einen die großen Managementberatungen. Bekannte Namen wie McKinsey oder Boston Consulting haben jedoch erst in den letzten Jahren das Personalmanagement als Beratungsthema für sich entdeckt und bauen diesbezüglich Ressourcen auf. Beschaffung, Bindung und Entwicklung von qualifizierten Mitarbeitern, das Managen von Wissen, all das wird wegen des demografischen Wandels mehr und mehr zum wichtigen Wettbewerbsfaktor. „Das sehen auch die Strategieberatungen und springen auf den Zug auf“, sagt Eva Manger-Wiemann, Managing Partner bei der Züricher Metaberatung Cardea. So hat sich Boston Consulting mit dem Thema Strategische Personalplanung profiliert und versucht damit die Brücke zwischen HR und der Geschäftsstrategie von Unternehmen zu schlagen. Neben den großen Managementberatungen gibt es die Consulting-Firmen, deren Angebot von HR-Themen dominiert wird. Dazu kann man unter anderem Mercer, Kienbaum oder Towers Watson zählen. Weitere Spieler am Markt sind IT- und Prozessgetriebene Beratungen, die Change-Beratungen sowie die spezialisierten Firmen, von denen nicht wenige aus einzelnen Personen bestehen. Vor allem wenn man den Coaching-Bereich hinzunimmt machen sie die große Mehrheit aus.

Top 21

Die größten Managementberatungen in Deutschland 2010

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*) Umsatz- und/oder Mitarbeiterzahlen teilweise geschätzt.
**) Umsätze mit Managementberatung in Deutschland ohne IT-Beratung und Systemintegration
Aufnahmekriterium für diese Liste: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes werden mit klassischer Unternehmensberatung wie Strategie, Organisation, Führung, Marketing erzielt.
Quelle: Lünendonk-Liste 2011

Da das Betätigungsfeld der Personalmanager immer größer und spezieller wird, tummeln sich plötzlich sogar bislang völlig marktfremde Organisationen im HR-Consulting-Bereich: Werbeagenturen, die zu Employer Branding beraten oder Krankenkassen, die bei der Gesundheitsförderung helfen. Es ist ein riesiges Sammelsurium unterschiedlicher Dienstleister.

Und so ziemlich alle von ihnen finden ihre Kunden. Es gibt wenig Unternehmen, die gänzlich ohne Beratung auskommen. Und gerade im HR-Bereich, wo die Anforderungen derart ansteigen wie in kaum einem anderen Bereich, ist der Bedarf nach Unterstützung groß. „Es gibt Themen, die entstehen durch gesellschaftliche Veränderungen und die Unternehmen wissen, dass sie etwas tun müssen“, sagt Ulrich Jordan und denkt dabei beispielsweise an Themen wie Burn-out oder Diversity. Auch er hat bei der Targobank mit Beratungen zusammengearbeitet – unter anderem auf den Gebieten Vergütung, Gesundheitsförderung, Management Coaching und Führungskräfteentwicklung.
Fehlende Ressourcen sind oft der Grund, warum Personalabteilungen oder Geschäftsleitungen im Bereich HR auf die Unterstützung von Beratungen bauen. „Viele Personalabteilungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen sind schwach besetzt oder werden vom Tagesgeschäft erschlagen“, sagt Rudolf Kast. Hinzu kommt dann vielleicht noch, dass sie falsch aufgestellt sind und somit nicht richtig zum gesamten Unternehmen passen.
Aber vor allem geht es natürlich um fehlendes Know-how im Unternehmen im Bereich HR. Bei manchen speziellen Themen wie der Durchführung von Vergleichsstudien zur Vergütung liegt das auf der Hand. Bei großen, strategischen Thema wie Talent Management, das die Funktion von HR laut verschiedener Studien in den nächsten Jahren bestimmen wird, ist das vielleicht nicht mehr so evident. Fakt ist aber: Beim Talent Management wird es den größten Beratungsbedarf in Zukunft geben. Das sieht auch Walter Jochmann von Kienbaum so. Für ihn gehören ganz unterschiedliche Bereiche dazu, wie strategische Personalplanung, Laufbahnmodelle, Diversity-Planung oder die Entwicklung von Potenzialträgern. Zwei andere HR-Felder, die er für wichtig hält, sind die strategische Aufstellung des jeweiligen Personalmanagements sowie das Veränderungsmanagement.

Aufgrund des großen Beratungsbedarfs stellen nicht wenige den Personalern ein nüchternes Zeugnis aus. „In vielen Unternehmen könnte man die Sachen selbst machen, doch die Kompetenzen sind oft nicht ausreichend“, sagt Ulrich Jordan. Das liegt seiner Meinung nach daran, dass häufig mehr Wert auf die Qualität der Marketing- oder Vertriebsmitarbeiter gelegt wird als auf die Fähigkeiten der Personaler. Deshalb sei HR leider oft nicht die am stärksten besetzte Funktion.
Malte Hansen, Director Human Resources bei Veolia Wasser, würde Jordan wohl nicht groß widersprechen. Denn er sieht als Problem, dass der Personaler-Beruf als „nicht so sexy“ gilt, weshalb gute Leute nicht sehr lange im HR-Bereich bleiben würden. Die Beratung habe da weitaus mehr Anziehungskraft, so Hansen. Und mehr Anziehungskraft bedeutet letztendlich größeres Know-how. Sich Fach- und Sachkompetenz ins Haus zu holen, die man nicht hat, mag ein Grund sein, um mit Beratern zusammenzuarbeiten. Michael Mirow, der an der Technischen Universität Berlin sowie an der Universität Innsbruck strategisches Management lehrt, nennt daneben als weitere Gründe unter anderem die konkrete Hilfe zum Beispiel bei der Umsetzung großer Restrukturierungsvorhaben sowie das Kennenlernen neuer Denkansätze bzw. Methoden zur Unternehmensführung. Auch schlicht sich eine unabhängige Meinung zu einem drängenden Problem einzuholen, könne eine Motivation sein, sagt Mirow.