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Human Resources Manager, Februar / März 2012

Hohe Aufmerksamkeit

Manchmal kann jedoch auch ein psychologischer Faktor eine Rolle spielen, dann wenn es zum Beispiel darum geht, Selbstbewusstsein einzukaufen. Denn das fehlt vielen, wenn sie bestimmte Entscheidungen fällen müssen. Hinzu kommt, dass ab und an externes Wissen von außen geholt wird, obwohl es im Unternehmen vorhanden ist – nämlich in den Köpfen der Mitarbeiter. „Leuten von außen hört man häufig eher zu“, sagt Ulrich Jordan. „Nicht jeder bekommt in einem Unternehmen die Chance als Mitarbeiter gehört zu werden.“
Gut für die HR-Beraterzunft – deren Projekte sich vermehrt auf der Vorstandsebene bewegen, denn HR-Themen, allen voran das Managen von Talenten und Diversity, bekommen jetzt auch die Aufmerksamkeit der CEOs. „Neben der Personalleiter-Ebene sind mehr und mehr ebenfalls die Vorstände oder der Aufsichtsrat verantwortlich“, sagt Walter Jochmann.
Nichtsdestotrotz ist das Geschäft für die Unternehmensberatungen insgesamt schwieriger als noch in den 90er Jahren. Persönliche Beziehungen spielen bei der Auftragsvergabe eine geringere Rolle. Das Ausschreibungsprocedere ist tendenziell rigider geworden, der Einkauf hat an Bedeutung gewonnen. Oft wollen die Kunden mindestens drei Angebote sehen.

Wichtiger aber ist, dass sich die Personaler selbst professionalisiert haben und damit anspruchsvoller geworden sind. „Irgendwas zusammenbasteln, ein bisschen Show machen und jeden Preis verlangen, das geht nicht mehr“, sagt ein Consultant, der seit mehreren Jahren als Managementberater arbeitet. Die Kunden haben gelernt. Für die kleineren Beratungen ist der Nachweis von Kompetenzen wichtiger geworden. Man muss in jedem Fall Referenzprojekte angeben. Hier schadet es als Ein-Mann-Unternehmen nicht, wenn man aus der Praxis kommt – ein Vorteil also für Ulrich Jordan und Rudolf Kast.
Dennoch müssen auch sie überzeugen können und vernetzt sein. Ulrich Jordan setzt auf Kontakte, die sich auf Kongressen und Tagungen ergeben. „Es muss Gelegenheiten geben, sich mit Ideen präsentieren zu können“, sagt er.
Das ist bei den großen Beratungen nicht viel anders. Auch sie suchen die Gespräche mit Kunden bzw. solchen, die es werden könnten – zum Beispiel am Rande einer Tagung. Man tauscht sich aus, ganz unverbindlich werden Probleme erörtert, und am Ende stehen die Fragen: Wie ist der Kunde bei dieser Thematik aufgestellt? Und welchen Nutzen kann die Beratung liefern? „Pull“ nennt man diese Form der Geschäftsanbahnung. Demgegenüber hat ein Kunde bei „Push“ einen Bedarf und einzelne Beratungen werden eingeladen ein Angebot zu unterbreiten. Die großen Konzerne greifen hierbei jeweils auf einen Pool an gelisteten Beratungen zurück. Mit ihnen hat das Unternehmen in der Regel Rahmenverträge geschlossen. Wenn eine Beratung in einem solchen Pool vertreten ist, hat sie einen wichtigen Schritt gemacht. Sie darf kontrahieren. Trotzdem hat jeder große Konzern seine bevorzugten Beratungen. Der Trend ist eindeutig: Großunternehmen arbeiten verstärkt mit wenigen solcher „preferred partners“ zusammen.

Verkaufen können

Wer in einem Pool nicht vertreten ist, hat schlechte Karten. Gerade neue Beratungsfirmen müssen dann einen mühsamen Weg des Netzwerkens und Akquirierens gehen. Einige wenige sind dabei ziemlich aufdringlich. „Wir bekommen hier drei bis fünf solche Anrufe pro Tag“, sagt zum Beispiel Malte Hansen.
Davon weiß auch Ulrich Jordan aus seiner Zeit als Personalvorstand zu berichten. „Einige werben sehr aggressiv“, sagt er und hat für sich schon beschlossen, selbst keine E-Mails zu Akquise-Zwecken verschicken zu wollen. „Ich wollte damals auch keine bekommen.“
Ein bisschen Vetriebler sollte man aber doch sein als Berater. Man muss verkaufen können. „Akquisefähig sein“, nennt das Rudolf Kast. Das ist für den ehemaligen Personalchef bei Sick ein wichtiges Erfolgskriterium.
Ulrich Jordan und Rudolf Kast arbeiten mittlerweile freier, doch mit dem Wechsel auf die andere Seite, bekleiden sie nun auch eine Position mit weniger Macht. Sie sind nicht mehr die Entscheider, die über finanziell lukrative Aufträge bestimmen. Nun wollen sie bei der Verteilung der Vergabebudgets selbst bedacht werden – und das in Zeiten, in denen die Kunden gegenüber den Beratungen nicht nur professioneller, sondern auch selbstbewusster geworden sind. So mancher Consultant beklagt sich, dass einige Kunden bewusst ihre Macht ausspielen. Ein Managementberater spricht gar von „teilweise unverschämtem Verhalten“ und Ausschreibungen, die einzig dem Zweck dienen, Wissen abzusaugen, um im letzten Moment zu sagen: „Entschuldigung, wir machen es nun doch selber.“ Es sind Einzelfälle und trotzdem ist klar: Das Pendel der Macht – es ist schon lange von Seiten der Berater in Richtung der Kunden geschwungen. Dennoch: Ob viel oder wenig Macht – eine erfolglose Zusammenarbeit will sich kein Kunde leisten. Nicht wenige Unternehmen haben aber bei der Beraterauswahl Probleme, was sich in einer hohen Zahl an erfolglosen Projekten widerspiegelt. Nach einer Studie der Metaberatung Cardea aus dem Jahr 2010 sind lediglich zwei Drittel aller Beratungsprojekte erfolgreich. 28 Prozent der Projekte schätzten die befragten Führungskräfte aus Deutschland und Schweiz als gescheitert ein. Die häufigsten Schwierigkeiten waren unter anderem, dass keine konkreten Ergebnisse erreicht wurden oder die Umsetzbarkeit der Konzepte nicht funktionierte.
Die Schuld dafür trifft nach Aussage von Eva Manger-Wiemann beide Seiten – sowohl Berater als auch Kunden. Am Ende steht dann immer die Einsicht, dass die Ressourcen von außen doch nicht den Anforderungen des Kunden entsprochen haben. Eine gründlichere Vorbereitung der Auswahl wäre also besser gewesen und vielleicht hätte es auch geholfen, wenn die Consultants ehrlicher gewesen wären, was die eigenen Kompetenzen angeht.
Eine klare Definition der Anforderungen ist ganz wichtig, wenn Beratungsdienstleistungen vergeben werden. Es müsse klar sein, welche Rolle die Berater übernehmen sollen, sagt Eva Manger-Wiemann. Soll nur abgearbeitet werden, was intern schon entwickelt wurde? Geht es also eher um Umsetzung? Oder soll neues, anderes Wissen hereingeholt werden? Oder vielleicht eine Entscheidung überprüft werden? „Die Kunden sind sich über die Rollen oft nicht klar.“

Die Überlegungen zur Zielsetzung stehen stets am Anfang der Beraterauswahl. Das betont auch Malte Hansen von Veolia Wasser und empfiehlt einen Anforderungskatalog zu erstellen. Für ihn ist zudem ganz wichtig, dass die jeweiligen Berater zur Unternehmenskultur von Veolia passen. Auf der persönlichen Ebene muss es also stimmen. Zudem muss klar sein, was die Beratungen bieten können. „Bei der Vorstellung sollten sie praxistaugliche Instrumente und Konzepte mitbringen“, sagt Hansen.
Was aus Sicht des Kunden in jedem Fall nicht nach außen vergeben werden sollte, sind im Rahmen eines Projektes die Entscheidungen. „Alles was Entscheidungen angeht, geben wir nicht nach draußen“, sagt Malte Hansen, „das machen wir selber. Aber Meinungen und Alternativen holen wir durchaus ein.“
Dass die Entscheidung nicht aus der Hand gegeben wird, mag selbstverständlich klingen, doch in der Praxis ist oft zu beobachten, „dass ein Management sich für eine Entscheidung hinter einem Berater versteckt“. Das weiß Michael Mirow zu berichten. Was seiner Ansicht nach außerdem in der Hand des Kunden bleiben sollte, ist, neben der Formulierung der Zielsetzung und der Verantwortung für die Umsetzung, die übergeordnete Projektführung.

Professionelle Beziehung

Obwohl sich viele Firmen mit der Beraterauswahl schwer tun, ist die Beziehung zwischen Consultants und Kunden professioneller geworden. Wie der Auftrag aussieht, was verlangt und was erbracht werden kann und soll – all das ist transparenter als früher.
Die Professionalisierung auf beiden Seiten ist wichtig. Denn der HR-Beratungsmarkt, er wird weiter wachsen – und damit wird auch die Zusammenarbeit zwischen Personalern und HR-Beratern zunehmen. Nicht zuletzt liegt das an Personalthemen wie Rekrutierung oder Talent Management, die über den Erfolg eines Unternehmens mitentscheiden, und zu denen externe Expertise gefragt ist. Auch wird die Vernetzung von HR mit anderen Funktionen noch mehr Gegenstand der Beratungen sein. Zudem befinden wir uns auf dem Weg in eine wissensbasierte Gesellschaft, in der Expertenwissen wichtiger wird. Das kann man nicht immer im Haus haben. Diese Entwicklung spielt den Beratern in die Hände. Spezialisierung und Fokussierung gewinnen an Bedeutung. Auch kleine Anbieter wie Rudolf Kast oder Ulrich Jordan können da ihre Nische finden. Trotzdem bleibt der Markt ein Kundenmarkt – und damit hart umkämpft.

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