Fehler bei der Einstellungsentscheidung
Personalwirtschaft - Magazin für Human Resources, Nr. 2 - 2012
Ulrich Jordan, ehemaliger Personalvorstand der Citibank, hat in seiner HR-Karriere mehr als 5000 Einstellungsinterviews geführt. Die häufigsten Interview-Fehler stellt er hier vor.
Um eine gute Einstellungsentscheidung zu treffen, bedarf es eines präzisen Anforderungsprofils, einer guten Vorauswahl der Kandidaten, einer sorgfältigen Vorbereitung und eines professionell geführten Einstellungsinterviews. Trotzdem kann alles noch schief gehen. Und das passiert nach allen vorliegenden Studien in fast der Hälfte aller Situationen.
Der Halo-Effekt
Herr Müller verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Marketing. Also muss er wissen, wie es funktioniert. Er hat bei Coca Cola und Nestle gearbeitet – zwei der besten Namen in Consumer-Branche. Deshalb muss er gut sein. Doch: Die Tatsache, dass jemand für zwei Branchenführer gearbeitet hat, kann auch heißen, dass er von deren hervorragendem Knowhow, Prozessen und Erfolgsrezepten profitiert hat, ohne notwendigerweise Spuren hinterlassen zu haben.
Natürlich kann unser Kandidat genau der Richtige sein – der uns mit seinen Fähigkeiten entscheidend weiterhelfen wird. Aber das ist er eben nicht automatisch wegen seiner langjährigen Erfahrung bei zwei Topunternehmen. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich gern an einen Kollegen, der vor einigen Jahren bei General Electric als Manager beschäftigt war. Zu Zeiten von Jack Welch, als man von GE als der am meisten bewunderten Organisation der Welt sprach. Er brachte mich zum Lachen, als er sagte: „Wenn wir die Besten sind, dann frage ich mich, wie schlimm sieht es wohl beim Zweitbesten aus?" Keine Frage – auch heute ist GE eine der besten Firmen weltweit. Aber auch in Topunternehmen arbeiten nicht nur Topmitarbeiter.
So wie es auch bei Bayern München oder Manchester United durchschnittliche Spieler gegeben hat und geben wird, so treten auch in der Wirtschaft nicht nur Spitzenleute an. Genau wie beim Fußball kann es allerdings passieren, dass eher durchschnittliche Manager in erstklassigen Umgebungen gute Ergebnisse erzielen. Vorsicht ist dann geboten, wenn diese Führungskraft ihr angestammtes Umfeld verlässt. Dann sind möglicherweise all die Erfolgsinstrumente und Unterstützungen nicht mehr vorhanden, die notwendig waren, um gut zu sein. Ein Scheitern könnte die Folge sein.
Um die Überstrahlung – lange Erfahrung plus Weltklasse Firmen – zu vermeiden – man spricht auch vom Halo Effekt – müssen wir die relevanten Fragen stellen, um die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen. Es geht um die Ergebnisse, die unser Kandidat erzielt hat. Wenn wir also ausreichend tief nach diesen Errungenschaften gefragt haben, wirklich verstanden haben, wie sein Beitrag aussah und unter welchen Bedingungen er die Erfolge erzielt hat. Dann haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir uns nicht blenden lassen.
Uniformität der Mitarbeiter
Wir sind immer auf der Suche nach unseren Zweitausgaben. AEG, Quelle, Holzmann, Beluga Shipping, Lehman Brothers waren große Unternehmen, die alle vor einiger Zeit aufgelöst wurden. Auch wenn die Marken heute teilweise noch oder wieder existieren. Gründe für das Scheitern sind immer vielfältig. Ein Grund, der Firmen in große Schwierigkeiten bringen kann, ist die Uniformität der Manager und Mitarbeiter. Agiert an der Spitze jemand, der über eine sehr hohe Intelligenz verfügt, Probleme gerne für sich allein analysiert, anderen gegenüber eher zurückhaltend agiert und die ruhigen Töne bevorzugt, kann es gut sein, dass dieser Chef im Einstellungsinterview auf bestimmte Kandidaten „allergisch" reagiert. Vielleicht auf die, die unkompliziert im Auftreten sind, die über eine etwas laute Stimme verfügen, eine ausladende Körpersprache benutzen und sich ausführlich zu den Fragen äußern. Falls dann fast nur noch ruhige, analytische, introvertierte Führungskräfte eingestellt werden, dann fehlen dem Unternehmen bald entscheidende Kompetenzen, um im Wettbewerb zu bestehen. Das Cloning, das betrieben wird, wenn zu viele Manager mit ähnlichen Fähigkeiten und Verhaltensweisen eingestellt und entwickelt werden, entsteht fast immer, wenn die Entscheider sich ihrer Präferenzen nicht ausreichend bewusst sind.