Fehler bei der Einstellungsentscheidung

Personalwirtschaft - Magazin für Human Resources, Nr. 2 - 2012

In seinem 1999 erschienenen Buch „Management Challenges for the 21st Century" schreibt Peter F. Drucker: „Um erfolgreich zu sein, müssen Sie ein tiefes Verständnis Ihres Selbst entwickeln. Nicht nur was Ihre Stärken und Schwächen sind, sondern auch wie Sie lernen, wie Sie mit Anderen zusammenarbeiten, welche Werte Sie haben und wie Sie den größten Beitrag leisten können." Wer danach handelt, der wird dafür sorgen, dass die neuen Mitarbeiter, die er in sein Team holt, über unterschiedliche Fähigkeiten, Kompetenzen, Arbeitsstile und Charaktere verfügen. Übrigens hilft es auch, seine eigenen „Hot buttons" bei vermeintlichen Kleinigkeiten zu kennen.

Haben Sie schon mal einem Kandidaten gegenüber gesessen, der zu viel Parfüm aufgetragen hatte, einen Siegelring am kleinen Finger trug oder sich die Haare etwas auffällig gefärbt hatte? Wie haben Sie reagiert? Haben Sie darüber hinweg gesehen? Haben Sie immer wieder hinschauen müssen? Wir können es nicht ignorieren. Und wir sollen es auch nicht. Wichtig ist nur, dass wir uns unserer Reaktionen auf diese Eigenheiten bewusst sind und sie keinen übergroßen Einfluss auf unsere Einstellungsentscheidung haben.

Beim Vorgänger-Cloning suchen der Vorgesetzte und der Personaler einen Kandidaten, der genauso sein soll wie sein Vorgänger – oder dessen Gegenteil. Als im Frühjahr 2009 das Management des FC Bayern München die Entscheidung traf, Louis van Gaal als Nachfolger von Jürgen Klinsmann anzuheuern, handelte es sich um eine Suche nach dem Gegenteil. Klinsmann war ein Jahr zuvor nach München geholt worden, um einen „Querdenker mehr um sich zu haben" wie Uli Hoeneß erklärte. „Wir haben einen Mann gesucht, der eine eigene Meinung hat, ... der progressiv denkt." Bei den Anforderungen an Klinsmann spielten die Themen Innovation, Beliebtheit, Internationalität und Mut eine große Rolle. Klinsmann hatte sich zwei Jahre vorher bei der WM mit der deutschen Nationalmannschaft zu diesen Feldern profiliert.

Als die Erfolge in München ausblieben, verpflichtete man weniger als ein Jahr später den Holländer van Gaal. Jetzt sah das Anforderungsprofil vollkommen anders aus. Nun suchte man „einen erfahrenen und erfolgreichen Fußballlehrer, der eine Reihe von Erfolgen vorweisen konnte." Eine Drehung um fast 180 Grad. Innerhalb eines Jahres hatten sich die Erfordernisse an den neuen Coach zwar nicht drastisch verändert, doch wollte man etwas korrigieren, was man glaubte, zuvor nicht richtig gemacht zu haben. Dass nach 20 Monaten auch die Zusammenarbeit mit van Gaal beendet wurde, war unter anderem der Tatsache geschuldet, dass man die Erwartungen an ihn selektiv an seinem Vorgänger orientiert hatte.

Kandidaten beim Wort nehmen

Wir unterschätzen häufig, wie effektiv sich Kandidaten in Einstellungsinterviews darstellen können und wie sie die Realitäten ihres Lebenslaufes an das Sozial Erwünschte anpassen. Und dann entscheiden wir uns für den eloquenten Kandidaten anstelle des kompetenten. Natürlich gibt es immer noch Kandidaten, die sich kaum auf ihr Interview vorbereiten. Die große Mehrheit der Menschen, die uns gegenübersitzt, allerdings hat sich vorbereitet. Sie haben eine gute Vorstellung von dem, wie sie sich präsentieren wollen. Und im Zweifel haben sie sogar eins der vielen Ratgeberbücher gelesen oder entsprechende Websites angeschaut. Sie wissen, dass es auf diese 60 oder 90 Minuten ankommt. Hier ein paar „Tipps für Bewerber", die man im Internet nachlesen kann:

  • „Bei den Schwächen sollte man nicht zu ehrlich sein. Die Kunst liegt darin, potenzielle Schwächen wie Stärken aussehen zu lassen, zum Beispiel: Ich möchte zu viele Aufgaben auf einmal bewerkstelligen."
  • „Bestätigen Sie Ihren Gesprächspartner durch Kopfnicken und freundliche Anmerkungen."
  • „Ein motivierter, tatendurstiger Mensch sitzt aufrecht, den Oberkörper leicht vorgebeugt ohne Kontakt zur Rückenlehne." Und in Blogs hilft man sich aus:
  • „Hatte jemand schon mal ein Vorstellungsgespäch bei ...gehabt? Ich wüsste gern, worauf man sich einstellen muss."
  • „Erklären Sie mir, warum wir uns ausgerechnet für Sie entscheiden sollten. Was sollte man hier antworten?"
  • „Was sind passable Antworten, wenn man nach den eigenen Schwächen gefragt wird?"

Die Rollen sind also klar verteilt. Ein Kandidat, der sich von seiner Schokoladenseite zeigen und möglichst wenig an Schwächen preisgeben will. Und Interviewer, die hinter diese Schokoladenseite schauen wollen. Deshalb bleibt es dabei – es gilt so lange zu fragen, bis wir anhand konkreter Beispiele erfahren haben, welche der gesuchten Kompetenzen der Kandidat in welcher Ausprägung mitbringt.