Fehler bei der Einstellungsentscheidung
Personalwirtschaft - Magazin für Human Resources, Nr. 2 - 2012
Nachträgliche Korrekturen
Wir ändern unser Anforderungsprofil nach dem Interview. Der Kandidat hat uns so gut gefallen, dass wir bereit sind, ein oder zwei Schlüsselanforderungen, die er nicht mitbringen würde, vom Tisch fallen zu lassen. Aus der Entfernung scheint klar, dass man dies nicht tun sollte. Und doch hat wahrscheinlich jeder von uns schon mal in der Versuchung gestanden, genau das zu tun. Es geht darum, die Geduld zu haben, so lange zu suchen, bis wir den richtigen Kandidaten gefunden haben. Wir suchen nicht nach übermenschlichen Fähigkeiten. Wir suchen nach dem „Best Fit". Und bevor wir den nicht gefunden haben, ist es klug, keine Einstellung vorzunehmen. Sonst korrumpieren wir unseren sorgfältig geplanten und durchgeführten Einstellungsprozess. Deshalb sind die schriftlich festgehaltenen Anforderungsprofile so wichtig. Sie sind unser Kompass. Die Geduld zu haben, ist manchmal nicht leicht. Die offene Stelle ist schon lange unbesetzt. Arbeiten werden nicht erledigt, Umsätze werden nicht erzielt und andere Kollegen müssen einspringen. Wir haben schon viele Kandidaten interviewt. Der Druck wächst, endlich jemanden präsentieren zu können. Das ist unser Moment der Wahrheit. Wenn wir jetzt kapitulieren und den faulen Kompromiss eingehen, haben wir verloren. Wenn wir weiter suchen, machen wir es richtig.
Je höher, desto besser
Die Qualität der Einstellungsentscheidungen verbessert sich nicht proportional mit der Höhe der Hierarchieebene, auf der sie getroffen wird. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich vom CEO einer großen europäischen Unternehmung interviewt wurde. Wobei Interview das falsche Wort ist. Wir saßen in einem holzgetäfelten Besprechungsraum und ich hatte den Eindruck, dass er keine Ahnung hatte, was er mich fragen wollte. Er vermittelte eher den Eindruck, dass er nicht wusste, warum er überhaupt mit diesem Fremden an einem Tisch saß. Nach einigen quälenden Phasen der Stille und Aufforderungen wie: „Erzählen Sie mal etwas über sich" und Fragen wie „Warum wollen Sie denn zu uns kommen?" und „Welche Fragen haben Sie?" habe ich ihn sehr viel mehr gefragt als er mich. Keine Ahnung, was er am Ende der 45 Minuten von mir wusste.
Personaler überschätzen sich
Das war kein singuläres Erlebnis. Meine Erfahrung ist, dass sich Führungskräfte und auch Personaler der Topebenen bei der Qualität ihrer Einstellungsentscheidungen überschätzen. Wenn der Vorstandschef gerne „aus dem Bauch heraus" entscheidet, müssen HR-Verantwortliche mit Bedacht vorgehen. Erfolgreiche Manager in Spitzenpositionen sind es gewöhnt, Entscheidungen zu treffen und Recht zu behalten. Manche verstehen es auch, gute Entscheidungen zu treffen. Häufig läuft es jedoch auf eine Art Glücksspiel mit einer 50:50-Chance hinaus. Weil für alle Beteiligten sehr viel auf dem Spiel steht, ist es besonders wichtig, dass das Topmanagement gut geschulte und erfahrene HR Verantwortliche zur Seite hat.
Studien zeigen, dass die offenen und verdeckten Kosten einer Fehlbesetzung im Führungskräftebereich mehr als das Zehnfache eines Jahresgehalts betragen können. Wenn Sie Fehler bei der Einstellung vermeiden wollen, können Sie etwas tun. Führen Sie Interviews und laden Kollegen dazu ein, die etwas von der Materie verstehen und Ihnen Feedback geben können. Melden Sie sich in Workshops zu diesem Thema an, wenn Sie sicher sein können, dass die Trainer Profis sind. Lesen Sie Bücher, um Ihr Wissen in diesem Bereich zu vertiefen. Entwickeln Sie sich weiter zu dem Thema, das über das Wohl und Wehe Ihres Unternehmens entscheidet. Es wird sich lohnen – für Sie und Ihre Organisation.
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