Manager klonen sich selbst

Die WELT, 10. und 12. März 2012

Die Rollen bei Einstellungsgesprächen sind meist klar verteilt. Auf der einen Seite ein angespannter Bewerber, auf der anderen ein recht entspannter Personalchef. Eigentlich müsste es mittlerweile andersherum sein.

In Deutschland entscheiden nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung an jedem Arbeitstag Führungskräfte und Personaler etwa 30.000 Mal, wen sie für eine offene Position in ihrer Organisation gewinnen wollen. Viele sind überzeugt, Kandidaten gut einschätzen zu können. Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. Laut einer Studie der amerikanischen Beratungsgesellschaft Leadership IQ aus dem Jahr 2009 scheitern 46 Prozent aller neu eingestellten Mitarbeiter innerhalb der ersten 18 Monate. Was nicht in jedem Fall auch bedeutet, dass man sich voneinander trennt, aber die Erwartungen werden nicht erfüllt.

Was führt zu diesen Fehlentscheidungen, die für Unternehmen enorme Kosten verursachen und die bei den Personalchefs für Anspannung sorgen sollten?

Die meisten Führungskräfte und Personaler wählen nicht unbedingt den besten Kandidaten aus, sondern jemanden, der ihnen ähnlich ist – man spricht von Self Cloning. Das tun sie auch deshalb, weil sie sich häufig nicht die Mühe machen, exakt zu definieren, was der richtige Kandidat genau mitbringen muss. Welche Probleme muss er schon einmal gelöst haben, über welches Wissen soll er verfügen, welche Motive und Werte sind ihm in der Arbeit wichtig, wie schnell lernt er, wie sieht seine Zusammenarbeit mit Anderen aus? Dies sind notwendige Teile eines guten Anforderungsprofils.

Viele Kandidaten sind auf diese Interviews besser vorbereitet als ihre Gegenüber. In Deutschland gibt es mehr als 3.000 Bücher mit Tips für das richtige Bewerberverhalten im Einstellungsgespräch. Und sehr viel weniger Publikationen für die Personachefs, wie sie erfolgreich einstellen können. Schlimmer noch, viele Personaler haben keine Trainings absolviert, um gute Einstellungsinterviews zu führen. Studien zeigen, dass sich Interviewer nach weniger als drei Minuten eine Meinung zum Kandidaten gebildet haben. Ungeschulte nutzen dann die verbleibenden 57 Minuten dazu, mit selektiver Wahrnehmung ihre Intuition zu bestätigen. Geschulte haben sich in der selben Zeit auch einen ersten Eindruck gebildet, bleiben aber offen dafür, ob er sich bestätigt oder nicht. Was wird sonst noch falsch gemacht? Es gibt keine klare Struktur, es werden die falschen Fragen gestellt, es wird nicht genug nachgefragt, die Atmosphäre ist angespannt und die wichtigsten Antworten des Kandidaten werden nicht mitgeschrieben.

Er muss die Chance bekommen, möglichst konkret auf die Fragen antworten zu können (siehe Kasten). Gefragt werden sollte in einer freundlichen, wertschätzenden und zugewandten Weise. Nur dann nämlich erlebt der Jobsuchende ein ehrliches Interesse an seiner Person. Und nur dann ist er bereit, recht offen zu sprechen. Erst wenn alle Kandidaten auf dieselben Fragen antworten, ist ein Vergleich möglich, wer am besten zur Position, zur Abteilung und zum Unternehmen passt. Und erst wenn die wichtigsten Antworten in Kurzform mitgeschrieben werden, kann man sich nach dem Gespäch noch an das erinnern, was gesagt wurde und es bewerten.

Viele Interviewer sprechen selbst zu viel und lassen dem Kandidaten zu wenig Zeit, von sich zu berichten. Die ideale Verteilung der Gesprächsanteile sollte etwa 80 Prozent für den Kandidaten und 20 Prozent für den Personalchef und Vorgesetzten sein.