Manager klonen sich selbst

Die WELT, 10. und 12. März 2012

Eine typische Falle: ein Kandidat verfügt über viele Jahre Erfahrung im Marketing von Technologieprodukten und hat bei zwei der Besten gearbeitet – Apple und Microsoft. Deshalb muss er gut sein. Oder? Er kann genau der Richtige sein aber es ist auch möglich, dass er bei seinen bisherigen Arbeitgebern von deren hervorragendem Know-How, Prozessen und Erfolgsrezepten profitiert hat, ohne dabei deutliche Spuren zu hinterlassen.

So wie es auch bei Bayern München durchschnittliche Spieler gibt, so treten auch in der Wirtschaft nicht nur Spitzenleute an. Genau wie beim Fussball kann es passieren, dass eher durchschnittliche Manager in erstklassigen Umgebungen akzeptable Ergebnisse erzielen. Denn auch in Topunternehmen arbeiten nicht nur Topmitarbeiter. Andere Schlussfolgerungen, die nicht immer zutreffen, sind beispielsweise - „wer im Ausland gearbeitet hat, hat die Fähigkeit zur Veränderung erfolgreich unter Beweis gestellt", „wer so intelligent ist, wird die Aufgabe schon gut lösen".

Personalchefs und Führungskräfte sollten sich fragen, welche Haltung sie zu ihren „Bewerbern" haben. Denn in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels können sich Unternehmen ihre Kandidaten nicht mehr einfach aussuchen. Heute müssen sie sich als Arbeitgeber bei den Menschen bewerben, die sie gerne für ihre Organisation gewinnen wollen. Denn aus früheren Bewerbern sind heute Umworbene geworden.

Was können Personalchefs und Führungskräfte nun tun, um diese Fehler zu vermeiden? Ich selbst habe in meinem Berufsleben etwa 5.000 Einstellungsinterviews geführt und eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Wichtig war, aus den Fehlern zu lernen. Das können alle, die Mitarbeiter für ihre Organisationen rekrutieren, auch tun. Sie können Artikel und Bücher zu diesem Thema lesen. Sie können zum nächsten Einstellungsinterview kompetente Kollegen einladen, die ihnen Feedback geben. Und sie können sich zu Workshops anmelden, in denen Profis dieses Thema so aufbereiten, dass sie etwas lernen können.

Welche Konsequenzen haben diese Fehler im Einstellungsprozess jetzt für den Kandidaten, der sich für eine offene Position interessiert? Wenn der Persoalchef nicht gut vorbereitet sein sollte, muss es der Kandidat ganz besonders sein. Das bedeutet, Antworten zu finden auf Fragen wie: Warum würde ich gerne in dieser Organisation arbeiten? Wer wird mich interviewen und was kann ich über den Interviewer herausfinden? Über welche wichtigen Berufserfahrungen verfüge ich? Welche Erfolge habe ich in den letzten Jahren erzielt und wie genau sahen die Ergebnisse aus? Welche Fähigkeiten haben ich eingesetzt, um diese Erfolge zu erreichen? An welchen Schwächen arbeite ich, um besser zu werden? Was habe ich in der letzten Zeit gelernt und wie habe ich das Gelernte angewendet? Es kann gut sein, dass einige dieser Fragen nicht gestellt werden. Gerade dann ist es für den Kandidaten wichtig, genau darüber zu sprechen. Damit er es schafft, auch einen ungeschulten Interviewer von sich zu überzeugen.