Wenn der Chef zum Gespräch bittet

Handelsblatt, 28. Dezember 2011

wenn-der-chef-zum-gespraech-bittet-2

Das Gespräch mit dem Chef muss gut vorbereitet sein.

Termine, an denen es knallt

So versprechen sich viele Arbeitnehmer gar nicht groß was vom Gedankenaustausch nach Fahrplan und agieren eher nach dem Motto „Augen zu und durch", weil es eben sein muss. „Solche Gespräche sind immer auch der Gipfelpunkt und Spiegel der Mitarbeiter-Chef-Beziehung", erklärt Berater Jordan. „Funktioniert die Beziehung, wird das ein recht ereignisloses Gespräch. Steckt da aber der Wurm drin, sind Jahresgespräche die klassischen Termine, an denen es knallt." Im schlimmsten Fall eskaliert hier, was im restlichen Jahr ungut vor sich hingebrodelt hat, und mutiert zur Generalabrechnung auf beiden Seiten.

Nur jeder fünfte Mitarbeiter, so fand das österreichische Karriereportal karriere.at jüngst in einer Umfrage unter 490 Arbeitnehmern und 230 Arbeitgebern heraus, fühlt sich durch ein solches Gespräch motiviert. Ältere Umfragen in der deutschen Arbeitnehmerschaft kommen zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Dafür halten 17 Prozent Jahresgespräche für vergeudete Zeit, weitere zehn Prozent legen keinen Wert darauf, weil sie ohnehin schon wüssten, wo es klemmt. Immerhin würde jeder zweite Befragte das Date mit dem Chef dann für sinnvoll erachten, wenn die Kritik konstruktiv ausfällt.

Und genau da liegt oftmals der Hase im Pfeffer: „Ich kenne auch viele Manager, die vor solchen Gesprächen Angst haben. So mancher tut sich unglaublich schwer, Feedback zu geben und Kritik in einer wertschätzenden, freundlichen Form auf den Tisch zu bringen", stellt Ulrich Jordan fest. Allzu oft sind Chefs trotz ihrer Position eben nicht die begnadeten Gesprächsführer. In einer Umfrage der Akademie für Führungskräfte unter mehr als 400 Managern fanden nur 43 Prozent, dass ihr eigener Chef passabel Feedback geben könne – obwohl dies zu den Kernaufgaben einer Führungskraft gehört. Gerade mal 16 Prozent bescheinigtem dem Vorgesetzten, dass er ein guter Zuhörer sei.

Wie Sie zu einem guten Ziel kommen

Marschrichtung erfragen

Erfragen Sie schon vor dem Gespräch, wie die Ziele des Unternehmens, die des Chefs und der Abteilung für den entsprechenden Zeitraum aussehen. Welche Wachstums- oder Sparziele sind angepeilt, welche Marschrichtung ausgegeben?

Persönliche Ziele

Überlegen Sie: Was sind Ihre eigenen Wunschziele für die kommende Zeit? Was wollen Sie in dieser Runde in Sachen Karriere, Gehalt und Weiterbildung erreichen? Wo liegt Ihre persönliche Minimallösung?

Win-Win-Situation

Wie passen Unternehmens- und Ihre eigenen Ziele zusammen? Was können Sie Ihrem Chef anbieten, mit dem Sie beide gut fahren? Von einer Win-win-Lösung hätten alle etwas.

Prioritäten klären

Bringt der Chef unrealistische Ziele ins Gespräch, picken Sie eines beispielhaft heraus und spielen Sie die Umsetzung mit ihm verbal durch. Er muss dann entscheiden, ob fehlende Kapazitäten für andere Projekte, längere Wartezeiten oder höhere Kosten etc. für ihn akzeptabel sind. Klären Sie Prioritäten ab.

Wischiwaschi vermeiden

Ziele sollten möglichst präzise, mess- und überpüfbar sein. Wischiwaschivereinbarungen sind zwar anfangs schön bequem für alle Beteiligten, aber extrem streitanfällig. Zudem wissen Sie dann nie, wann Sie Ihr Pensum erfüllt haben und wann nicht.

Quantitative und qualitative Ziele

Üblicherweise werden quantitative Ziele – wie fünf Prozent mehr Umsatz, zehn neue Kunden – und qualitative Ziele – neue Verfahren erlernen, Verantwortung übernehmen, Mitarbeiter einarbeiten – vereinbart. An quantitativen Zielen gibt es für Mitarbeiter meist wenig zu deuteln. Sie werden aus den Firmen- und Chefzielen heruntergebrochen. Verhandelbar ist aber der Weg zum Ziel. Bei qualitativen Zielen haben Chefs mehr Spielraum und akzeptieren Vorschläge, so lange sie ihnen und dem Unternehmen weiterhelfen.

Was ist wirklich machbar?

Ob man dem Chef schon bei drei oder erst bei einem Dutzend Zielen Einhalt gebietet, hängt von ihrem Umfang oder Schwierigkeitsgrad ab. Maßgeblich ist, wie viel in diesem einen Jahr wirklich machbar ist und was sich für einen noch gut anfühlt. Es ist niemandem geholfen, wenn Sie sich in tausend Kleinstzielen verlieren oder Sie die Last allzu großer Einzelziele von Beginn an niederdrückt.

Stufenziele

Schlau sind Stufenziele: Bei 100 Prozent Trefferquote gibt es den vollen Bonus, bei 50 Prozent nur die Hälfte.

Aus eigener Kraft

Ziele fallen immer ein bisschen ambitioniert aus. Trotzdem sollte man sie aus eigener Kraft erreichen können und nicht auf Wunder angewiesen sein.

Vorgesetzte

Merke: Grundsätzlich haben Vorgesetzte ein Interesse daran, dass man seine Ziele erreicht, sonst laufen sie Gefahr ihre eigenen Hausaufgaben zu verpatzen.

Und so werden Zielvorgaben und Erwartungen an den Mitarbeiter mehr verkündet als besprochen, geschweige denn abgestimmt oder gemeinsam erarbeitet. „Der Mitarbeiter lässt den Termin dann einfach über sich ergehen, nach dem Motto: ‚Soll er halt 'ne Stunde reden, ich mach eh mein Ding'.", weiß Hailka Proske, Kommunikationstrainerin und Buchautorin (Zielvereinbarungen und Jahresgespräche, Haufe Verlag). „Ich beobachte, dass die Gespräche oft als Pflichttermin einfach so durchgezogen werden. Weil die Personalabteilung eben darauf besteht. Es herrscht Lustlosigkeit auf beiden Seiten, von einer guten Vorbereitung ganz zu schweigen", berichtet Proske aus ihrer Beratungspraxis.

Das häufige Ergebnis: Ein Motivationskiller erster Güte, Zielvorgaben, die einem den Spaß am Job rauben, und Weiterbildungen, die ins Leere laufen. „In meinen Trainings treffe ich zum Beispiel immer wieder auf Mitarbeiter, die von ihrem Chef in ein Seminar geschickt werden, ohne dass sie wüssten, warum sie da jetzt sitzen", berichtet die Trainerin. „Da ist doch dann offensichtlich etwas gründlich schief gelaufen."