Wenn der Chef zum Gespräch bittet

Handelsblatt, 28. Dezember 2011

Wischiwaschi-Ziele machen das Leben schwer

Mit der gleichen Akribie sollten auch die Wunschziele für das kommende Jahr vorbereitet und besprochen werden, empfiehlt Karrieretrainerin Hailka Proske. Welche Aufgaben möchten Sie übernehmen? Welche Leistungen sind realistisch? Und wohin möchten Sie sich langfristig entwickeln?

In der Jahresgesprächspraxis erlebt Proske aber oft genau das Gegenteil: „Die Ziele fallen oft so schwammig, grob und pauschal aus, dass der Mitarbeiter später gar nicht weiß, wann er sich überhaupt auf die Schulter klopfen kann und wann nicht. Und der Arbeitnehmer lässt den Chef mit dieser Vorgabe oft einfach gewähren, weil es eben so schön bequem ist." Die Kalkulation ‚Schauen wir am Jahresende einfach mal, was dabei raus gekommen ist.' kann zwar aufgehen, wenn Chef und Mitarbeiter sich auch während des Jahres regelmäßig abstimmen. Dort aber, wo wenig geredet wird und das Verhältnis ohnehin angespannt ist, fällt der Mitarbeiter gerne mal aus allen Wolken, wenn schließlich Bilanz gezogen wird. Je konkreter und nachprüfbarer die Ziele also im Vorfeld besprochen wurden, desto weniger Streitpotenzial gibt es.

Natürlich sind nicht alle Vorgesetzten leicht zu nehmen. Termine mit Cholerikern, Kommunikationschaoten oder Wendehälsen werden auch mit einer guten Vorbereitung im Rücken nicht zum lustvollen Spaziergang. Wer sich aber gut vorbereite, sich so gut es geht auf die Eigenarten der Führungskraft einstelle und in einer positiven Grundhaltung dort einlaufe, dürfe, so Ulrich Jordan, erwarten, dass ihm sein Gegenüber zuhört und ein gewisses Verständnis aufbringt. „Das schlimmste was Sie dagegen tun können, ist, aus einer Empörungshaltung heraus das Gespräch zu suchen. Wer sich etwa nach einem Blick auf seine Gehaltsabrechnung zwei Minuten später beim Chef einfindet, muss sich nicht wundern, wenn das Treffen gelaufen ist, bevor es begonnen hat", berichtet der Berater aus der Praxis.

„Ein gutes Gespräch bedeutet dann zwar immer noch nicht, dass Ihre Vorschläge auch 1:1 umgesetzt werden, aber zumindest sind Sie gehört worden und haben alles getan, was in Ihrer Macht steht."

Selbst wer aus einem solchen Termin unverrichteter Dinge und frustriert heraus kommt, hat wenig verloren, denn ein ausgesessenes 08/15-Gespräch hätte ja den gleichen Effekt gehabt. „Und wenn Sie mehrmals hintereinander die Botschaft erhalten, dass für Ihre Wünsche kein Platz ist, dann ist das auch eine Erkenntnis", betont Proske. „Über kurz oder lang müssen Sie sich dann fragen, ob das noch die richtige Abteilung oder Firma für Sie ist." Deshalb sind Jahresgespräche mit dem Chef auch ernstzunehmende Gradmesser für die langfristige Karriereentwicklung.

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